Der Nackenschlag traf Dieter Wieland (78) nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. „Ja, ich habe schon damit gerechnet“, sagt der Uffinger. Der Chef des Förderkreises Murnauer Parklandschaft muss wohl oder übel mit dem streng geschützten Biber leben, der sich an den zwei Teichen im Gartendenkmal Murnauer Seidlpark eingerichtet hat. Wielands Forderung, der Nager, der sich an Bäumen vergreift, müsse weg, lief ins Leere. Die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt machte dem hochdekorierten Autor und Filmemacher, der um den historischen Baumbestand fürchtet, einen Strich durch die Rechnung. Die „engen Voraussetzungen“ für eine Tötung, teilte eine Sprecherin mit, lägen „zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor“. Gründe könnten etwa die Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden oder die öffentliche Sicherheit sein. Auch eine Gefährdung des Damms sei „nicht erkennbar“. Drahthosen und ein Schutzanstrich bewahrten Bäume, die das Tier annagen könnte, vor Verbiss. Und: Prävention steht über der Tötung.
Dabei schienen die Tage des Parkbewohners bereits gezählt. Murnaus Politik hatte – auch um den vom Biberfrust geplagten Wieland bei der Stange zu halten, der den Seidlpark mit Mitstreitern seit sieben Jahren hegt und pflegt – mit hauchdünner Mehrheit die umstrittene Entscheidung gefällt, die „Entnahme“ des Tiers beim Landratsamt zu beantragen.
Dieser Schritt schlug hohe Wellen und löste Unverständnis sowie Empörung aus. Auch die renommierte Tierschützerin Tessy Lödermann machte sich für einen Verbleib des Bibers stark und erntete mit ihrer Linie viel Zuspruch. „Bei mir hat sich eine Reihe Murnauer Bürger gemeldet, die alle bereit sind, sich zu engagieren – persönlich oder mit Spenden, um wichtige Bäume zu schützen.“ Der Tierschutzverein des Landkreises, sagt die Vorsitzende Lödermann, würde ebenfalls einen Beitrag leisten. Die Garmisch-Partenkirchnerin zeigt sich „sehr froh, dass das Landratsamt so entschieden hat – sonst wäre das ein Präzedenzfall gewesen.“ Hier werde deutlich, dass bei solchen Problemen nicht die Ultima Ratio angebracht ist, „sondern alle gefragt sind, eine vernünftige Lösung zu finden“.
Um diese geht es auch Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP/Bürgerforum), der selbst gegen den Biber gestimmt hatte und „die Entscheidung, die ich argumentieren kann, wieder so fällen würde“. Er sah sich zum Handeln gezwungen, als die Parkschützer über Demotivation klagten. Beuting findet es „nicht so dramatisch“, dass Murnau beim Landratsamt abblitzte. „Wir werden uns nun darauf konzentrieren, welche Maßnahmen wir ergreifen, um das Ziel des Baumschutzes weiter zu verfolgen. Dazu werden sich alle, die gefordert sind, an einen Tisch setzen.“ Der Biber bleibt unter Beobachtung – und unter Bewährung: „Vielleicht wird man im nächsten Jahr einen Handlungsbedarf erkennen.“
Denn: Das Landratsamt stützt sich bei seiner Entscheidung auf die aktuelle Situation – und die kann sich ändern. Das veranlasst Wieland zur Bemerkung: „Dann warten wir halt ab.“ Er glaubt, dass die Entscheidung anders ausgefallen wäre, hätte der Fall nicht – etwa durch die Tagblatt-Berichterstattung – so große Öffentlichkeit erfahren: „Man wollte hier Ärger vermeiden.“ Wieland, der vor Wochen offensiv gefordert hatte, der Biber müsse weg, gibt sich nun defensiver. Er habe nicht verlangt, das Tier umzubringen, „sondern es aus dem historischen, denkmalgeschützten Park zu entnehmen“. Erst bei Verhandlungen habe er erfahren, dass dies eine Tötung bedeute.