5 Tage Todeskampf im Wald
Rottach-Egern - Fünf Tage lag ein angeschossener Hirsch im Wald, bis er von seinem Leiden erlösen wurde. Das Verfahren gegen den unbekannten Schützen wurde eingestellt – nun legt der Tierschutzverein nach.
Es war am Freitag, 2. August, am späten Abend. Jagdleiter Eduard Maierhofer, zuständig fürs Gebiet am Wallberg, hört im Revier einen Schuss. Und dann nichts mehr. Das wundert ihn: Jeder Abschuss muss ihm gemeldet und auch präsentiert werden. Fünf Tage später, am Mittwoch, dann der Anruf einer Spaziergängerin: Ihre beiden Hunde haben einen schwer verletzten Hirsch erschnüffelt. Jagdleiter Maierhofer und Revierjäger Michael Herrmann eilen ins Gebiet. Nach kurzer Suche bietet sich ihnen ein Bild des Jammers: Da liegt ein etwa dreijährige Hirsch mit durchschossenen Vorderläufen in der Gluthitze, Fliegenschwärme bedecken seinen Körper. Er lebt noch. „Wir haben ihn dann erlöst“, sagt Herrmann. Das Leiden des Tiers bewegt die beiden sehr. „Ich habe immer noch so eine Wut“, sagt Jagdleiter Maierhofer.
Die Bilder lassen ihn nicht los. Der flehende Blick des jungen Hirschs, der fünf Tage lang in der Sommerhitze Qualen gelitten hat, ohne Wasser, sich im Todeskampf verzweifelt mit den Hinterbeinen durch die Dornen schob, von Füchsen angefressen wurde. Jedem Jäger, so Maierhofer, könne mal ein Schuss daneben gehen: „Aber dann leite ich die Nachsuche ein, auch wenn's mitten in der Nacht ist.“ Wer es unterlässt, findet Maierhofer, dem soll der Jagdschein abgenommen werden. Auf Lebenszeit. Jagdleiter Maierhofer und Jäger Herrmann haben einen Verdacht, wer der Schütze sein könnte – Herrmann selbst war zum Zeitpunkt des Schusses im Urlaub. Noch im August erstatten sie Anzeige bei der Polizei Bad Wiessee wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, nennen auch einen Namen. Doch die Beweise reichen nicht, die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren Ende Januar ein.
Laut Tierschützern hat im Tal das "unqualifizierte Jägerspielen" Einzug gehalten
Dann spielt ein Unbekannter dem Tierschutzverein Tegernseer Tal die Bilder des angeschossenen Hirschs zu. Vorstandsmitglied Johanna Ecker-Schotte hakt nach, erfährt die ganze Geschichte. „Wir sind über diesen unglaublich tierquälerischen Vorfall schockiert und bedauern sehr, dass wir als Tierschutzverein nicht früher informiert worden sind“, erklärt Ecker-Schotte. Sie will alles tun, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. „Wir werden Strafanzeige stellen.“ Leider, so Ecker-Schotte, habe der Tierschutzverein schon mehrmals erlebt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren wegen Tierquälerei einstelle. „Das finden wir sehr bedenklich.“ Der Tierschutzverein appelliere im Übrigen an alle verantwortungsvollen Jäger, Mut zu zeigen und zu helfen, diesen Vorfall aufzuklären und den Täter zu überführen, erklärt die Tierschützerin. Sie pflege zu gewissenhaften Jägern und Hegern freundliche Kontakte, schätze deren Arbeit, auch wenn die Ansichten zur Bejagung teils unterschiedlich seien. Offensichtlich habe aber nun auch im Tegernseer Tal das „unqualifizierte Jägerspielen“ Einzug gehalten, meint Ecker-Schotte. „Das hat mit Jagd nichts zu tun. Das ist Frevel.“
Der Rottacher Jagdvorsteher Josef Stadler sieht das nicht anders. Ein Stück Wild „so elendig krepieren zu lassen, das ist Verachtung der Kreatur“. Dass der Tierschutzverein nicht locker lassen will und den Fall nun auch öffentlich macht, kommt ihm gelegen. Stadler hofft, dass weiter ermittelt wird, dass der Täter am Ende gefunden und bestraft wird: „Ich denke, dass es schon im öffentlichen Interesse liegt, dass ein solcher Mensch nie mehr eine Waffe tragen darf.“
Christina Jachert-Maier